Sunday, September 7, 2014

Nachhaltigkeit statt „Schweinereien“

Stand: 04.09.2014

Nachhaltigkeit statt „Schweinereien“

Derzeit fordert Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt in den Medien immer wieder bessere Haltungsbedingungen bei Nutztieren und fordert zu mehr Verantwortung auf. Phrasenreich und wolkig ist von einem „New Deal“ die Rede. Der wäre zwar dringend notwendig und wünschenswert, zu der vergangenen und aktuellen Agrarpolitik der Bundesregierung passt diese Ankündigung leider nicht. Noch immer scheint oberste Prämisse zu sein, deutsche Schweine möglichst günstig zu erzeugen, um mit deren Fleisch auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Ohne die lokalen und globalen Auswirkung dieser Politik im Blick zu haben. 
Großgruppe Mastschweine © Landesanstalt Landwirtschaft Hessen (LLH)
Großgruppe Mastschweine © Landesanstalt Landwirtschaft Hessen (LLH)

Artensterben durch Intensivtierhaltung

Die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Fleisch- und Milcherzeugung beruht zu einem bedeutenden Teil auf agrarpolitischer Unterstützung -  von Flächenprämien über Investitionsbeihilfen bis zu zollfreien Importen von Eiweißfuttermitteln wie Soja. Ein rasanter Boom war die Folge. Die Hälfte aller deutschen Schweine steht in Beständen mit mehr als 1.000 Tieren und über 50 Prozent der Masthühner und Legehennen müssen sich gar mit 50.000 Artgenossen ihren Stall teilen. Deutschland hat sich beim Schweinefleisch vom Nettoimporteur zu einem globalen Exporteur gewandelt.

Die Expansion und Konzentration der Tierhaltung hatte lokal heftige, negative Auswirkungen. Circa 70 Prozent der Stickstoff- und 50 Prozent aller Phosphoreinträge in Meeren, Seen und Flüssen stammen heute aus der Landwirtschaft. Artensterben und Todeszonen, wie in der Ostsee, sind die Folge. Der Eintrag von Ammoniak übersteigt in Wäldern und anderen naturnahen Ökosystemen häufig kritische Schwellen. Und Gewässer erreichen häufig nicht mehr einen guten Zustand hinsichtlich Nitrat, Pflanzenschutzmittel und Cadmium. 
Sojaernte © Birgit Wilhelm / WWF
Sojaernte © Birgit Wilhelm / WWF

Globale Auswirkungen

Auch am anderen Ende der Welt sind die Auswirkungen spürbar: Die Intensivtierhaltung ist ohne gentechnisch verändertes Soja nicht möglich. Die zunehmende Nachfrage nach diesem Futtermittel hat dazu geführt, dass die Anbauflächen in Südamerika drastisch expandieren. Endlose Agrarwüsten und Monokulturen verdrängen artenreiche Savannen und Wälder. Der Sojaboom führt zu einem dramatischen Rückgang der regionalen Artenvielfalt und beeinflusst das Weltklima, da mit der Umwandlung der natürlichen Lebensräume große Mengen von Treibhausgasen freigesetzt werden.

Eine Wende für die Landwirtschaft

All diese negativen Auswirkungen hat die deutsche Agrarpolitik gefördert oder zumindest billigend in Kauf genommen. Damit sich die Nutztierhaltung in eine nachhaltigere Richtung bewegt und es für Landwirte auch ökonomisch attraktiv wird, anders zu wirtschaften, wäre es notwendig die Rahmenbedingungen zu ändern. Statt immer größere Einheiten, die immer größere Probleme produzieren, sollte endlich auf Prozess- und Produktqualität gesetzt werden. Es muss eine Landwirtschaft gefördert werden, die die Umweltschäden so gering wie möglich hält, und die die Zusammenhänge zwischen Stickstoffbilanz, Import von Futtermitteln und die Landnutzung in Übersee im Blick behält. Daher sollten Exportsubventionen dauerhaft abgeschafft bleiben und keine Investitionsbeihilfen für nicht tiergerechte Stallerweiterungen und Neubauten gezahlt werden. Die Haltungsformen müssen den Bedürfnissen der Nutztiere angepasst und an die regional vorhandene Futterfläche gebunden werden. Und nicht zuletzt gilt es, die zollfreie Einfuhr von Soja in die EU außer Kraft zu setzen und eine Kennzeichnungspflicht einzuführen, wenn Tiere mit gentechnisch veränderten Organismen gefüttert worden sind.

Das alles umfasst eine wirkliche Wende, die es ernst meint mit der Verantwortung gegenüber Umwelt, Nutztieren, Verbrauchern und Bauern. Auf derartige Initiativen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium wartete man allerdings leider bisher vergebens. 

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